3. Station: Feldahorn

Fischenzstr. 3

Mats und Mara treffen eine Taube und lernen das Café Auszeit kennen

Am Ende der Straße finden Mats und Mara einen Feldahorn. Auf dem Boden sammeln sich flügelbewehrte Samen. Mit ihnen steigen sie auf den Baum und lassen sich heruntersegeln. Hui, das macht Spaß! Das dreht und dreht und dreht. Mara wird ganz schwindelig. Mats lacht:
"Na, kriegst Du einen Drehwurm?"
"Ach, Quatsch. Ich doch nicht. Ich kriege doch keinen Drehwurm", antwortet Mara schnell, aber ein bisschen schwummerig ist ihr schon. Doch das will sie Mats nicht zeigen. Schließlich ist sie die Ältere. Da wird man ein bisschen Schwindel und Bauchkribbeln schon ertragen. Immer wieder klettern die Waldwichte den Baum hinauf. Und jedes Mal klettern Sie höher. Und je höher sie klettern, desto weiter fliegen sie am Propeller des Ahornsamens. Endlich hat auch Mats genug.
"Puh", japst er, "Das reicht. Mir ist ganz schwindelerig."
"Schwindelig, heißt das", korrigiert Mara.
"Egal", lacht Mats, "es dreht so schön im Kopf. Aber wenn ich weitermache, muss ich spucken."

PLATSCH!

"Igitt!!"
Entsetzt hüpfen die Wichte zur Seite. Ein großer weißgrauer Klecks Taubenkot ist neben sie auf den Gehweg gefallen und hat die beiden über und über bespritzt.
"Äh, ist das eklig!"
Mit ein paar bremsenden Flügelschlägen landet eine Taube neben den beiden. Sie sieht ganz bekümmert aus.
"Entschuldigt bitte. Aus der Luft habe ich Euch nicht gesehen."
"Weißt Du einen Platz, wo wir uns waschen können?" fragt Mara.
"Da habe ich eine gute Idee. Nicht weit von hier ist ein alter Brunnen. Da haben die Menschen früher ihr Wasser geholt."
"Ja, lass uns bitte ganz schnell dahin gehen", Mats hüpft aufgeregt auf und nieder, "Ganz schnell, ja?! Damit dieser Kackadreck verschwindet. Ich will den nicht haben."
"Steigt auf", sagt die Taube.

Gemeinsam fliegen sie ein paar Meter die Straße hinauf. Dann landet der große graue Vogel mit den violett-grünen Streifen im Gefieder wieder. Mara sieht die Taube von der Seite an. Eigentlich sehr hübsch, findet sie. Das Federkleid ist an manchen Stellen matt, an anderen schillert es bunt. Die dunklen Augen sind von roten Ringen umgeben. Und auch die grauen Federn sind ganz unterschiedlich: es gibt weiße, hellgraue und dunkelgraue. Manche erscheinen fast schwarz. So genau hat Mara sich eine Taube noch nie angesehen. Die Taube spürt ihren forschenden Blick und lächelt:
"Mein Name ist Hermia. Und wie heißt Ihr?" Mats und Mara nennen der Taube ihre Namen.
"Jetzt wascht Euch erst einmal." Die Wichte klettern auf den Rand des schwarz lackierten rechteckigen Metallbrunnens. Sie spritzen sich Wasser über Gesicht und Hände und ziehen ihre dreckigen Jacken aus, um sie im Brunnen zu säubern. Brrrr! Das Wasser ist kalt.

Hermia hüpft zwischen den Stühlen eines Cafés, das sich hinter dem Brunnen befindet, hin und her und pickt Kuchenkrümel vom Pflaster.
"Hier, probiert mal", sagt sie. Mats und Mara haben noch nie Kuchen gegessen. Kuchen wächst nicht auf Bäumen.
"Lecker", sagt Mats.
"Ja", stimmt Mara zu, "Kuchen schmeckt richtig gut." Hermia lächelt (Waldwichtel können selbst erkennen, wenn Tauben lächeln).
PLATSCH!
Hermia lässt schon wieder ein Häufchen fallen.
"Oh, Mann", sagt Mats, "warum musst Du denn so oft?"
"Hmm", antwortet Hermia.

Gemeinsam lassen sie sich unter dem schönen Baum mit der runden Krone gleich neben dem Brunnen nieder.
"Das ist tatsächlich eine ganz, ganz lange Geschichte. Wir Tauben wohnen schon seit mehreren tausend Jahren mit den Menschen zusammen. In einem weit entfernten Land, wo es viel, viel Sonne gibt, dürre Böden und einen großen Fluß, der Nil heisst, und den dürren Boden einmal im Jahr mit Schlamm überschwemmt, fanden Menschen heraus, dass unser Kacka Pflanzen beim Wachsen hilft. Ja, und deshalb fingen die Menschen an, kleine Häuser für uns zu bauen und möglichst viele von uns in der Nähe zu haben. Sie wollten unser Kacka!"

Mats und Mara schauen sich zweifelnd an. Kann das sein? Doch da fällt Mara der Mistkäfer ein, der eine Kugel rollt, um seine Eier hineinzulegen. Wenn das Käferkind inmitten der warmen Mistkugel schlüpft, frisst es den Mist auf. Mist ist auch Kacka - von Schafen zum Beispiel. Mara muss lächeln. Die Natur hat es so eingerichtet, dass alles, aber auch wirklich alles einen Sinn ergibt.
"Die Menschen gaben uns also Wohnungen und Futter, und wir gaben ihnen unseren Kot", erzählt Hermia weiter.
"Aha."
"Menschen sorgten dafür, dass wir möglichst oft Kacka machen mussten, damit sie mehr von unserem Mist hatten, den sie zum Düngen ihrer Pflanzen verwenden konnten."

"Aber dann sind die Menschen ja selbst Schuld, wenn heute Taubendreck auf ihren Straßen landet." Hermia lächelt wieder. Mats wird ganz warm ums Herz. Das Lächeln von Vögeln ist wirklich etwas ganz Besonderes. Sie können ja nicht - so wie Wichte oder Menschen - das Gesicht verziehen. Es ist eher eine Art zu schauen, die den Waldwichten deutlich zeigt, dass der Vogel jetzt lächelt. Und Hermia lächelt, fast könnte man sagen: sie lacht.
"Ja, das ist wohl so. Damals haben die Menschen uns eingeladen, und wir haben auf alle erdenkliche Art ihnen geholfen. Sie haben uns mit dem Übertragen von Botschaften und Briefen beauftragt, unser Fleisch gegessen und aus unseren Federn Schreibwerkzeuge gemacht! Wir standen sogar Modell für den Frieden."

Hermia zeigt auf einen blauen Aufkleber an einer Straßenlaterne, der eine weiße Taube zeigt.
"Das sind wir oder vielmehr, das waren wir - Symbole des Friedens ... Und heute", nun guckt Hermia etwas verächtlich, vielleicht ein wenig traurig, "heute", sagt sie, "jagen und vergiften sie uns. Dabei sind wir doch das, was sie aus uns gemacht haben." Dann lacht sie wieder. Tauben bleiben nie lang betrübt.
"Ach", sagt sie, "ich habe noch was für Euch. Meinen dritten Buchstaben." Mit diesen Worten überreicht sie den Wurzelwichten eine große graublaue Feder.
"Am besten, ihr schreibt ihn Euch auf." Sprach's und flattert davon. Mara schreibt ein 'U' auf die Feder und steckt sie zu den Blättern auf Mats' Rücken.


Wenige Schritte von dem Feldahorn entfernt befindet sich auf der linken Seite das Café Auszeit. Dort treffen Mats und Mara die Taube Hermia und den Brunnen.

Danach gehen die beiden ein Stück geradeaus, überqueren wieder die Straße und folgen der schräg rechts abbiegenden Brüelstraße bis zum Kreisel an der Gottlieber Straße. Sie überqueren den Kreisel stadteinwärts auf der linken Seite und befinden sich vor STATION 4.

Die nächste Straße links ist die Maria-Ellenrieder-Straße.